Wolfram König Berlin, den 17.10.2000
Lieber Hartwig Berger,
Richtig ist vielmehr, dass selbstverständlich alle wahrscheinlichen Risiken von den Antragstellern betrachtet und berücksichtigt werden; darunter auch Flugzeugabstürze und terroristische Anschläge. Die von den Energiekonzernen als jeweiligen Antragstellern verfolgten unterschiedlichen Konzeptionen werden sich an jedem einzelnen Standort einem öffentlichen Anhörungsverfahren und einer Sicherheitsbegutachtung unterziehen müssen. Das Bundesamt für Strahlenschutz wird erst nach Auswertung dieser Expertenrunden sich eine abschliessende Meinung bilden, ob die jeweilige Konzeptionen den Anforderungen gerecht werden. Von Seiten des Bundesumweltministeriums gibt es keinerlei inhaltliche Vorabfestlegungen, die den Vorwurf eines "Sicherheitsrabatts" begründen könnten. Im Gegenteil: Lothar Hahn ist als Vorsitzender der Reaktorsicherheitskommission (RSK) gebeten worden, die sicherheitstechnischen Leitlinien für Zwischenlager unter Würdigung der kritischen Positionen zu überarbeiten. Die Arbeiten hierzu laufen noch - das Ergebnis wird selbstverständlich grundlegend in die abschliessende Bewertung durch das BfS einfliessen. Der Ausschuss Ver-und Entsorgung der RSK hat sich darüber hinaus schon am 25.Juli dafür ausgesprochen, dass die geforderte Vorsorge gegen Schäden im Falle eines Flugzeugabsturzes durch die Auslegung des Gesamtsystems Halle, Behälter zu gewährleisten sei. 2. Du behauptest, dass "...die Sicherheit mit Fug und Recht bezweifelt werden muss, da der Lagerbehälter noch nicht einmal realen Falltest unterzogen worden ist." Richtig ist, dass die verkehrsrechtlichen Zulassung der Behälter erst nach umfangreichen Begutachtungen erfolgte und hierbei alle international vereinbarten Prüfungen positiv abgeschlossen worden sind. Dabei ist es für die Antragsteller möglich, die mechanische und thermische Sicherheit der Behälter durch Modellrechnungen nachzuweisen. Du weißt, dass das BMU/BfS (aber auch das für die mechanischen und thermischen Belastungstests der Behälter allein zuständige Wirtschaftsministerium/Bundesanstalt für Materialforschung und -prüfung) somit keine rechtlichen Möglichkeiten hat, Falltests zu erzwingen. Gleichwohl versuche ich, den Hersteller dazu zu bewegen, unter Beteiligung von kritischen Wissenschaftlern einen Falltest an einem CASTOR-Originalbehälter aktueller Bauart durchzuführen. 3. Du kritisierst, dass bei den ersten zwei Anhörungsverfahren zu den sog. Interimslagern in Neckarwestheim und Philippsburg ein Scoping-Termin für die Umweltverträglichkeitsprüfung nicht vorgesehen ist. Richtig ist, dass von mir erstmalig für Zwischenlagerverfahren
überhaupt eine UVP als zwingender Antragsbestandteil festgelegt
worden ist. Dies gilt selbst für die gerade in der Anhörung
befindlichen Interimslagerverfahren Neckarwestheim und Philippsburg,
die baulicherseits schon fertiggestellt sind (betonierte Lagerfläche)
und eine § 7 AtG-Genehmigung der Landesregierung für sechs
CASTOR-Behälter besitzen. Für diese beiden Verfahren wurde
in der Tat auf einen Scopingtermin verzichtet, da die Antragsteller
bereits mit den Antragsunterlagen die Prüfungsberichte für
eine UVP eingereicht hatten. Diese müssen sich nunmehr der kritischen
Betrachtungen im Erörterungstermin stellen. Für alle anderen
neuen Verfahren ist geplant, den Umfang der UVP mit den Umweltverbände
und Bürgerinitiativen zu erörtern. 4. Du kritisierst, dass eine "öffentliche Auslegung der TÜV-Gutachten nicht vorgesehen ist" - "geschweige die Verbreitung aller Planunterlagen im Internet". Richtig ist, dass keine "TÜV-Gutachten" mit ausgelegt
werden, da diese zum Zeitpunkt der Anhörung auch noch gar nicht
existieren. Ich haben mich für dieses Vorgehen entschieden, um
so früh wie möglich die Anträge der Unternehmen einer
kritischen öffentlichen Diskussion zu stellen. So wird gewährleistet,
dass auch Einwendungen Dritter mit in die sicherheitstechnischen Begutachtung
einfliessen können. Darüber hinaus besteht natürlich
die Möglichkeit, auch ausserhalb der öffentlichen Auslegung
Einblick in das jeweilige Sicherheitsgutachten nach Fertigstellung zu
nehmen. 5. Du kritisierst, dass die beantragten dezentralen Zwischenlager überdimensioniert sind. Richtig ist, dass die Zwischenlageranträge in keiner Weise die vereinbarten Restlaufzeiten widerspiegeln (können, da sie alle vor dem Abschluss der Konsensverhandlungen gestellt worden sind). Die Genehmigungsverfahren spalten sich in einen baurechtlichen und atomrechtlichen Teil auf. Im Genehmigungsverfahren werde ich alle mir zur Verfügung stehenden Mittel nutzen, eine atomare Mengenbegrenzungen für den jeweiligen Standort festzuschreiben. Auf die Grösse des beantragten Baukörpers hat jedoch die atomrechtliche Genehmigungsbehörde keinerlei Einfluss. Zusammenfassend halte ich fest , dass es entgegen Deinen Befürchtungen keinerlei Diskussionen oder gar Festlegungen des Bundesumweltministeriums gibt, die einen "Sicherheitsrabatt" bei der Genehmigung von Zwischenlagern begründen könnten. Für weitere Fragen stehen ich Dir gerne zur Verfügung.
Wolfram König
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