zurück

Wolfram König

Berlin, den 17.10.2000


Hartwig Berger, MdA
Sprecher des Energiepolitischen Ratschlags
von Bündnis 90/Die Grünen


Dezentrale Zwischenlager für atomare Abfälle

Lieber Hartwig Berger,


Deinen Offenen Brief an den Bundesvorstand vom 06.10.2000 zum Themenkomplex Dezentrale Zwischenlager habe ich mit Interesse aber auch Erstaunen gelesen. Unter Bezugnahme auf das letzte Treffen der BAG Energie und des Energiepolitischen Ratschlags am 29.09. weist Du aus Deiner Sicht auf eine Reihe von "Mängeln und Umweltrisiken bei den geplanten Atom-Zwischenlagern" hin. Du hast dabei sogar ausgemacht, dass "wesentliche Kriterien der Sicherheit und der Umweltvorsorge ignoriert werden, für die Grüne immer gestanden und gekämpft haben". Als Leiter derjenigen Behörde, die die Genehmigungsverfahren durchzuführen hat, möchte ich zu Deinen Kritikpunkten Stellung beziehen.


1. Du behauptest, dass die Lager nach Ansicht des BMU nicht gegen Flugzeugabstürze und gegen terroristische Anschläge geschützt sein müssen.

Richtig ist vielmehr, dass selbstverständlich alle wahrscheinlichen Risiken von den Antragstellern betrachtet und berücksichtigt werden; darunter auch Flugzeugabstürze und terroristische Anschläge. Die von den Energiekonzernen als jeweiligen Antragstellern verfolgten unterschiedlichen Konzeptionen werden sich an jedem einzelnen Standort einem öffentlichen Anhörungsverfahren und einer Sicherheitsbegutachtung unterziehen müssen. Das Bundesamt für Strahlenschutz wird erst nach Auswertung dieser Expertenrunden sich eine abschliessende Meinung bilden, ob die jeweilige Konzeptionen den Anforderungen gerecht werden. Von Seiten des Bundesumweltministeriums gibt es keinerlei inhaltliche Vorabfestlegungen, die den Vorwurf eines "Sicherheitsrabatts" begründen könnten. Im Gegenteil: Lothar Hahn ist als Vorsitzender der Reaktorsicherheitskommission (RSK) gebeten worden, die sicherheitstechnischen Leitlinien für Zwischenlager unter Würdigung der kritischen Positionen zu überarbeiten. Die Arbeiten hierzu laufen noch - das Ergebnis wird selbstverständlich grundlegend in die abschliessende Bewertung durch das BfS einfliessen. Der Ausschuss Ver-und Entsorgung der RSK hat sich darüber hinaus schon am 25.Juli dafür ausgesprochen, dass die geforderte Vorsorge gegen Schäden im Falle eines Flugzeugabsturzes durch die Auslegung des Gesamtsystems Halle, Behälter zu gewährleisten sei.

2. Du behauptest, dass "...die Sicherheit mit Fug und Recht bezweifelt werden muss, da der Lagerbehälter noch nicht einmal realen Falltest unterzogen worden ist."

Richtig ist, dass die verkehrsrechtlichen Zulassung der Behälter erst nach umfangreichen Begutachtungen erfolgte und hierbei alle international vereinbarten Prüfungen positiv abgeschlossen worden sind. Dabei ist es für die Antragsteller möglich, die mechanische und thermische Sicherheit der Behälter durch Modellrechnungen nachzuweisen. Du weißt, dass das BMU/BfS (aber auch das für die mechanischen und thermischen Belastungstests der Behälter allein zuständige Wirtschaftsministerium/Bundesanstalt für Materialforschung und -prüfung) somit keine rechtlichen Möglichkeiten hat, Falltests zu erzwingen. Gleichwohl versuche ich, den Hersteller dazu zu bewegen, unter Beteiligung von kritischen Wissenschaftlern einen Falltest an einem CASTOR-Originalbehälter aktueller Bauart durchzuführen.

3. Du kritisierst, dass bei den ersten zwei Anhörungsverfahren zu den sog. Interimslagern in Neckarwestheim und Philippsburg ein Scoping-Termin für die Umweltverträglichkeitsprüfung nicht vorgesehen ist.

Richtig ist, dass von mir erstmalig für Zwischenlagerverfahren überhaupt eine UVP als zwingender Antragsbestandteil festgelegt worden ist. Dies gilt selbst für die gerade in der Anhörung befindlichen Interimslagerverfahren Neckarwestheim und Philippsburg, die baulicherseits schon fertiggestellt sind (betonierte Lagerfläche) und eine § 7 AtG-Genehmigung der Landesregierung für sechs CASTOR-Behälter besitzen. Für diese beiden Verfahren wurde in der Tat auf einen Scopingtermin verzichtet, da die Antragsteller bereits mit den Antragsunterlagen die Prüfungsberichte für eine UVP eingereicht hatten. Diese müssen sich nunmehr der kritischen Betrachtungen im Erörterungstermin stellen. Für alle anderen neuen Verfahren ist geplant, den Umfang der UVP mit den Umweltverbände und Bürgerinitiativen zu erörtern.
Der Scopingtermin dient übrigens nach UVPG als Hilfestellung für den jeweiligen Antragsteller zur realistischen Einschätzung des jeweiligen Untersuchungsbedarfs und ist nicht mit einer vorgezogenen Öffentlichkeitsbeteiligung gleichzusetzen.

4. Du kritisierst, dass eine "öffentliche Auslegung der TÜV-Gutachten nicht vorgesehen ist" - "geschweige die Verbreitung aller Planunterlagen im Internet".

Richtig ist, dass keine "TÜV-Gutachten" mit ausgelegt werden, da diese zum Zeitpunkt der Anhörung auch noch gar nicht existieren. Ich haben mich für dieses Vorgehen entschieden, um so früh wie möglich die Anträge der Unternehmen einer kritischen öffentlichen Diskussion zu stellen. So wird gewährleistet, dass auch Einwendungen Dritter mit in die sicherheitstechnischen Begutachtung einfliessen können. Darüber hinaus besteht natürlich die Möglichkeit, auch ausserhalb der öffentlichen Auslegung Einblick in das jeweilige Sicherheitsgutachten nach Fertigstellung zu nehmen.
Dass Du meine Aktivitäten unterstützt, die Antragsunterlagen parallel zur Auslegung ins Internet einzustellen, um allen einen leichten Zugang zu diesen ermöglichen, freut mich (m.W. übrigens das erste Mal in einem atomrechtlichen Genehmigungsverfahren). Wer Lust hat, kann unter www.bfs.de die Unterlagen abrufen. Der Umfang ist allerdings auch weiterhin von der Zustimmung derjenigen abhängig, die Urheberansprüche geltend machen können.

5. Du kritisierst, dass die beantragten dezentralen Zwischenlager überdimensioniert sind.

Richtig ist, dass die Zwischenlageranträge in keiner Weise die vereinbarten Restlaufzeiten widerspiegeln (können, da sie alle vor dem Abschluss der Konsensverhandlungen gestellt worden sind). Die Genehmigungsverfahren spalten sich in einen baurechtlichen und atomrechtlichen Teil auf. Im Genehmigungsverfahren werde ich alle mir zur Verfügung stehenden Mittel nutzen, eine atomare Mengenbegrenzungen für den jeweiligen Standort festzuschreiben. Auf die Grösse des beantragten Baukörpers hat jedoch die atomrechtliche Genehmigungsbehörde keinerlei Einfluss.

Zusammenfassend halte ich fest , dass es entgegen Deinen Befürchtungen keinerlei Diskussionen oder gar Festlegungen des Bundesumweltministeriums gibt, die einen "Sicherheitsrabatt" bei der Genehmigung von Zwischenlagern begründen könnten. Für weitere Fragen stehen ich Dir gerne zur Verfügung.


Viele Grüße

Wolfram König

 

zurück zur letzten Seite