Gesellschaft für Strahlenschutz e.V.
Dr. Sebastian Pflugbeil
Gormannstr. 17
10119 Berlin
tel. 030-4493736
fax 030-44342834 |
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"Das Gedächtnis der Menschheit für erduldete Leiden
ist kurz, ihre Vorstellungsgabe für kommende Leiden ist fast noch
geringer ... Und doch wird mich nichts davon überzeugen, daß es
aussichtslos ist, der Vernunft gegen ihre Feinde beizustehen. Laßt
uns das tausendmal Gesagte immer wieder sagen, damit es nicht einmal
zu wenig gesagt werde! Laßt uns die Warnungen erneuern, und wenn
sie schon wie Asche in unserem Mund sind!"
/B. Brecht, 1952, Wien/ |
Nacharbeit zu einem Gespräch
mit dem
Bundesvorstand von Bündnis 90/Die Grünen
Der Entwurf der neuen Strahlenschutzverordnung unterscheidet sich in
Form und Inhalt deutlich von der noch gültigen Version aus dem
Jahre 1989. Vergleiche mit der gegenwärtig noch gültigen Fassung
und zwischen den inzwischen vorliegenden verschiedenen Entwürfen
sind sehr mühsam, weil nicht nur ein paar Zahlenwerte sondern auch
die Struktur der Strahlenschutzverordnung verändert wurden. Es
verändern sich sogar die Nummern inhaltlich entsprechender Paragraphen
der verschiedenen Entwürfe, so daß man umständlich jeweils
erklären muß, über welchen Paragraphen welcher Fassung
man redet. Die Diskussion könnte erleichtert werden durch eine
synoptische Dar-stellung der Fassungen - das BMU hat bisher keine solche
Veröffentlichung vorgelegt. Es ist heute (Mitte Oktober 2000) vom
BMU offiziell noch nicht einmal die Fassung des Entwurfs vom 4.8.2000
zu bekommen. Auf unsere umfangreichen Einwände gegen den Entwurf
vom 3.4.2000 gibt es bisher aus dem BMU keine differenzierte Antwort.
In den spärlichen Diskussionen mit Politikern, Mandatsträgern,
Ministern oder Ministerialbeamten kommt man selten über ein oder
zwei Punkte hinaus - die Liste der offenen Fragen und Mängel ist
jedoch sehr lang. Weil es tatsächlich um komplizierte Sachverhalte
geht, gleiten die Versuche, in der Sache konstruktiv zu streiten üblicherweise
schnell in partei- oder fraktionstaktische Überlegungen ab. Durchsetzbarkeit,
Strategie und Taktik, Sachzwänge, Koalitionsprobleme oder Kompromisse
können jedoch nicht ernsthaft besprochen werden, solange das Thema
in der Sache nur halb oder gar nicht verstanden wird. Wir sind wenig
glücklich über die Erfahrung, daß es keine Ebene gibt,
auf der mit den Regierungsparteien und -Fraktionen im Detail über
fragwürdige Inhalte mit einer gewissen Aussicht auf Erfolg geredet
werden kann. Die Diskussion um eine vernünftige Strahlenschutzverordnung
droht in Resignation zu versanden noch ehe sie wirklich begonnen hat.
Dennoch:
Der Schutz schwangerer und stillender Frauen und ihrer
Kinder
In der alten Strahlenschutzverordnung wird an zwei Stellen explizit
auf den Schutz gebärfähiger/schwangerer Frauen eingegangen:
"§ 49 (3) Bei gebärfähigen Frauen darf die über
einen Monat kumulierte Körperdosis an der Gebärmutter 5
mSv nicht überschreiten."
"§ 56 (1) Es ist dafür zu sorgen, daß sich Personen
unter 18 Jahren sowie schwangere Frauen nicht in Kontrollbereichen
aufhalten, schwangere oder stillende Frauen nicht mit offenen radioaktiven
Stoffen, ..., umgehen und stillende Frauen sich nicht in Kontrollbe-reichen,
in denen mit offenen radioaktiven Stoffen umgegangen wird, aufhalten."
In dem Entwurf der neuen Strahlenschutzverordnung findet man Folgendes:
§ 55 (4) Bei gebärfähigen Frauen beträgt der
Grenzwert für die über einen Monat kumulier-te Dosis an
der Gebärmutter 2 Millisievert. Für ein ungeborenes Kind,
das aufgrund der Be-schäftigung der Mutter einer Strahlenexposition
ausgesetzt ist, beträgt der Grenzwert für die Körperdosis
vom Zeitpunkt der Mitteilung über die Schwangerschaft bis zu
deren Ende 1 Millisievert.
§ 37 (2) Schwangeren Frauen darf der Zutritt zu Sperrbereichen
nicht gestattet werden, ..."
Erläuterungen des BMU vom 4.8.2000 zu
§ 45 Beschäftigungsverbote und Beschäftigungsbeschränkungen
"Das bisherige Aufenthaltsverbot für Personen unter 18 Jahren
und für schwangere Frauen in Kontrollbereichen wurde aufgehoben.
Wegen der Absenkung der Werte zur Abgrenzung von Kontrollbereichen
(Zulässigkeit möglicher Expositionen von mehr als 6 mSv
bei einer Aufenthaltszeit von 2000 Stunden im Kalenderjahr gegenüber
15 mSv nach dem bisherigen § 58 Abs. 1) ist es zum Schutz des
ungeborenen Lebens nicht mehr geboten, Schwangeren generell den Zugang
zu Kontrollbereichen zu untersagen. Ein generelles Zutrittsverbot
wür-de wegen der mit der Dosisabsenkung faktisch verbundenen
Ausweitung der Kontrollberei-che die Ausbildungs- und Berufsausübungsmöglichkeiten
für Frauen insbesondere in Kran-kenhäusern und Arztpraxen
erheblich beeinträchtigen.
Das strikte Aufenthaltsverbot des bisherigen § 56 Abs. 1 für
stillende Frauen in Kontrollbe-reichen, in denen mit offenen radioaktiven
Stoffen umgegangen wird, konnte ebenfalls ent-fallen, da nicht in
jedem Falle, in dem ein solcher Kontrollbereich eingerichtet ist,
auch ein erhöhtes Kontaminationsrisiko für die stillende
Frau besteht. Das generelle Verbot würde beispielsweise bedeuten,
daß Bereiche, in denen verschlossene Behälter mit radioaktiven
Stoffen bereitstehen, von Stillenden nicht betreten werden dürften,
da diese Behälter keine umschlossenen radioaktiven Stoffe im
Sinne der Begriffsbestimmungen des § 3 Abs. 2 Nr. 30 Buchstabe
b, mithin offene radioaktive Stoffe sind. Da ein in diesem Sinne "offener
ra-dioaktiver Stoff" nicht zu einem Risiko für den gestillten
Säugling führen kann, soll auch hier dem verantwortlichen
Handeln des Strahlenschutzverantwortlichen bzw. -beauftragten und
der stillenden Frau stärker Rechnung getragen werden." (S.48)
Kommentar der Gesellschaft für Strahlenschutz:
Sowohl in der alten StrlSchV als auch im Entwurf der neuen StrlSchV
wurden zur Regelung der Strahlenschutzfragen verschiedene Bereiche definiert,
die sich durch die jeweils zu befürchtende Strahlenbelastung unterscheiden.
In der folgenden Übersicht stehen links die Bereiche der alten,
rechts die des Entwurfs der neuen StrlSchV, von oben nach unten nimmt
die Strahlenbelastung zu:
Alte StrlSchV
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Entwurf der neuen StrlSchV
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