Hiltrud Breyer, MdEP Pressemitteilung Brüssel, 24.10.2001 EP-Studie belegt Horrorszenario:
Zur Veröffentlichung der Studie "Possible Toxic effects from the Nuclear reprocessing Plants at Sellafield and Cap de la Hague" im Auftrag des Instituts für Technikfolgenabschätzung des Europäischen Parlaments (STOA) erklärt die Europaabgeordnete Hiltrud Breyer MdEP (Bündnis 90/ Die Grünen): Die offizielle, lang unter Verschluss gehaltene, wissenschaftliche Studie von WISE-Paris ist ein letzter Alarm: mit Sellafield (Großbritannien) und La Hague (Frankreich) haben wir mitten in Europa zwei tickende Zeitbomben, die jederzeit explodieren können. Schon die teilweise Zerstörung der französischen Wiederaufbereitungsanlage in La Hague etwa durch einen Flugzeugabsturz würde laut der Studie die Katastrophe von Tschernobyl weit in den Schatten stellen. Das kleinste Abklingbecken dort enthält selbst halbvoll bereits 67 Mal soviel Cäsium-137, wie bei dem Reaktorunfall von Tschernobyl freigesetzt wurde. Es kann nicht angehen, dass die Kommission und die europäischen Regierungen diese Zeitbomben ungeachtet weiterticken lassen. Nicht "nur", dass die Wiederaufbereitung verbrauchter Brennelemente in Sellafield und La Hague zur größten menschengemachten Freisetzung von Radioaktivität in die Umwelt weltweit führt. Diese Freisetzungen - ohne Unfall !- entsprechen jedes Jahr denen eines großen Nuklearunfalls. Das ist das Tausendfache der Strahlung eines normalen Atomkraftwerks. Schon ohne Unfall sind laut der Studie bereits 250 bis 500 Kilogramm Plutonium in den Meeresboden gelangt. In der Umgebung gibt es eine starke Häufung von Leukämie und anderen Blutkrebsarten. In La Hague lagern mit etwa 50.000 Kubikmetern radioaktiver Stoffe und Abfälle ein Vielhundertfaches des in Kernkraftwerken vorhandenen Materials. So hätte allein das im Verhältnis zu einem Flugzeugabsturz vergleichsweise "harmlose", der Studie zugrundegelegte Unfallszenario, wie Feuer oder Explosion, weitaus schwerere Folgen als Tschernobyl: bis zu 1,5 Millionen Menschen könnten an Krebs sterben. Laut der Studie werden die Sicherheitsstandards nach dem EU-Recht nicht eingehalten. Dies macht offensichtlich, dass die Kommission entweder außerstande ist, die vorgeschriebenen Sicherheitsanforderungen zu überwachen oder schlichtweg ihrer Kontrollpflicht nicht ausreichend nachkommt. Das bedeutet einen einschneidenden Vertrauensverlust in die Kommission. Die verheerende Bilanz der Studie muss nun zum Anlass genommen werden, so schnell wie möglich ein Moratorium für die beiden Anlagen zu veranlassen. Solange für die Sicherheit nicht garantiert werden kann, gibt es keinen wirksamen Schutz, als die beiden Anlagen sowie sämtliche Atomkraftwerke in der EU zu schließen. Insbesondere vor dem Hintergrund des 11. September erhält diese Forderung eine ganz neue Dimension. Denn die Atomanlagen in Deutschland, wie auch in anderen Mitgliedstaaten sind nicht gegen den Aufprall eines großen Zivilflugzeugs, sei es aus terroristischer Absicht oder aufgrund technischen oder menschlichen Versagens, gerüstet. Es müssen daher endlich umgehend Maßnahmen getroffen werden, um einen weiteren Super-GAU zu verhindern. Es kann nicht sein, dass diese tickenden Zeitbomben weiterhin ignoriert und das Leben und die Gesundheit von Millionen von Menschen täglich wissend aufs Spiel gesetzt werden.
Hiltrud Breyer MdEP |