Demo-Rede vom 10.Juni 2001
Manfred Leschinski (Bündnis 90 / Die Grünen)
Ich freue mich, daß Ihr alle hierher gekommen seid;
an diesen zentralen Ort der gefährlichen Castor-Transporte.
Wir dürfen die Versammlung nicht wie angemeldet, auf der Brücke
über den Gleisen durchführen, weil gemäß Auflage
sicher ausgeschloßen werden muß, daß es zu Beeinträchtigungen
des Bahnverkehrs kommt. Wir sind hier nicht im Wendland; hier fahren
eine Menge schneller ICEs, sodaß ein Betreten der Gleise Lebensgefahr
bedeutet.
Wir sind heute hier; weil wieder ein Castortransport unmittelbar bevorsteht,
und vor allen Dingen, weil morgen, die Kraftwerksbetreiber nach nunmehr
1 Jahr ihre Unterschrift unter die Absichtserklärung "Atomkonsens"
setzen wollen.
Im gleichen Atemzug ist von ihnen zu hören, das sie die Inhalte
nach wie vor nicht für richtig halten und darauf setzen das Gesetze
ja änderbar sind.
Eine Atomfreundliche Folge-Regierung, wird für die Atomlobby alles
Umkehrbare schon wieder zurückschrauben.
Drum stehen wir heute hier; und ab 5 Uhr läuft in Harburg ebenfalls
eine Demo gegen die Atomenergie.
Wir wollen; den Gesellschaftsdruck weiter erhöhen, und Widerstand
leisten durch gewaltfreie Protestaktionen, für einen schnelleren
Atom-Ausstieg.
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Hier im Maschener Güter-Bahnhof sind gerade vor 3 Wochen die Castoren
mit abgebrannten Brennelementen aus den Atomkraftwerken Brunsbüttel
und Stade zusammengekoppelt worden, um dann weiter über Stelle,
Ashausen, Winsen, Lüneburg, nach Frankreich zur Wiederaufarbeitung
zu rollen.
Der nächste Castortransport, und zwar aus Stade, steht wie schon
gesagt bevor. Wie beim letzten Mal wird auch diesmal der genaue Zeitpunkt
des Gefahrgut-Transportes geheim gehalten.
Ob in der kommenden Nacht oder in den nächsten 2 Wochen;
sicher ist die Transporte mit der gefährlichen radioaktiven Fracht
von Stade, Brunsbüttel und Krümmel rollen direkt hier bei
uns im Landkreis über die Schienen.
Das Bundesamt für Strahlenschutz hat allein für dieses Jahr
5 Transporte aus Brunsbüttel und 7 weitere aus Stade genehmigt.
Das heißt, monatlich werden 1 bis 2 Castortransporte durch Hamburg,
über Harburg, Meckelfeld und Maschen hier in der Gemeinde Seevetal
auf der Strecke sein.
Die Gefahr eines Unfalls kann niemand endgültig ausschließen.
Es gibt kein Risiko Null; ein Restrisiko bleibt immer, besonders für
die Menschen die direkt an den Schienen wohnen.
Eine Risiko-Analyse, die "Worst-Case"-Szenarien für
Gefahrguttransporte berücksichtigt, und Schutzmaßnahmen für
die Bevölkerung im Falle eines Unfalls aufzeigt, liegt nicht vor.
Und das, obwohl jährlich 80 bis 100 Castor-Transporte in Deutschland
bis Ende 2005 zur Wiederaufarbeitung nach La Hague und Sellafield bevorstehen.
Die Wiederaufarbeitung muß sofort ein Ende haben, wenn wir den
"Atomaren Müllberg" nicht verdoppeln wollen.
Sowohl an den Standorten der Atom-Anlagen, als auch bei den hochgefährlichen
Castor-Transporten werden unverantwortliche Gesundheitsgefährdungen
der Bevölkerung riskiert.
Neuste Studien belegen eine stark erhöhte Krebsrate im 5-Km-Umkreis
von Atom-Anlagen.
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Bei uns in der Elbmarsch liegt eine Häufigkeit von Leukämie-Fällen
vor, besonders bei Kindern, die mit großer Wahrscheinlichkeit
auf das Kernkraftwerk Krümmel, die Kernforschungsanlagen bei der
GKSS,
und die Landessammelstelle für angeblich "schwachradioaktive"
Stoffe zurückzuführen sind. Hier hat es ja auch schon falsch
deklarierte hochradioaktiv strahlende Fässer gegeben.
Und es bleibt zu prüfen, ob nach Inkrafttreten der neuen Strahlenschutz-Verordnung
hier alles am rechten Platze steht.
Zu den gerade in der Elbmarsch gefundenen radioaktiven Kügelchen
werden zur Zeit diverse Messungen ausgewertet und begutachtet.
Wir fordern nach wie vor, eine Umkehr der Beweislast, und die Sofortige
Stilllegung von Krümmel bis Klarheit darüber herrscht, dass
Gesundheitsgefährdungen ausgeschlossen sind.
Krümmel gehört allein schon abgeschaltet, wegen der fahrlässigen
Betriebsweise, wenn ich an den letzten Brennelemente-Wechsel denke.
Das dort mal eben ein Brennelement aus 1 Meter Höhe hinunterfällt,
nur weil es versehentlich vom Ladearm mitangehoben wurde, und die Überlast-Sensoren
gar nicht eingeschaltet sind, zeigt wie die Sicherheitsstandards in
der Realität eingehalten werden.
Die Erörterungen für das Interims-Lager und das Zwischenlager
in Krümmel laufen jetzt am 20. und 25. Juni.
Jeweils 6000 schriftliche Einwände liegen zu diesen "Atomaren-Lagerhallen"
vor.
Die Bevölkerung sollte ihr Recht auf Sicherheit dort direkt vor
Ort, bei den Erörterungs-Verhandlungen geltend machen.
Zwischenlager an den Atomkraftwerken sind kein Ersatz für ein
Endlager-Konzept. Ein Endlager-Konzept gehört endlich auf den Tisch.
Solange die Endlager-Frage nicht geregelt ist, und keine endgültig
abgeschalteten Atomkraftwerke infolge des Atomkonsens vorzuweisen sind,
wird es keine Akzeptanz in der Bevölkerung für die Castor-Transporte
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Und dies gilt insbesondere für die Transporte in die Wiederaufarbeitung,
die ausschließlich einem Weiterbetrieb der Atomstrom-Erzeugung
dienen.
Alle die für einen schnelleren Atom-Ausstieg auf die Straße
gehen, sorgen mit ihren gewaltfreien Aktionen für den nötigen
Gesellschaftsdruck, um auch politisch Wirkung erzielen zu können.
An der S-Bahn-Station Harburg-Rathaus vor Karstadt beginnt jetzt um
17 Uhr eine weitere Demo zu den Castor-Transporten. Diese ist vom Aktionskreis
gegen Atomkraft und der Hamburger Regenbogen Fraktion angekündigt.
Wer sich daran friedlich beteiligen mag, sollte sich dann dorthin auf
den Weg machen.
Wir sollten bei kommenden Transporten unsere Bereitschaft für einen
schnelleren Ausstieg durch unsere präsenz hier vor Ort weiter deutlich
zum Ausdruck bringen. Vielen Dank fürs Zuhören.
Manfred Leschinski
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