Atompolitische Opposition bei den GRÜNEN

Hartwig Berger, MdA in Berlin


Die Nacht, in der alle radioaktiven Kühe schwarz sind -

Wann wird es Qualitätskontrollen an den Transporten aus La Hague nach Gorleben geben?

Wer nimmt schon für die Ewigkeit eine gefährliche Fracht ins Haus, ohne zu wissen, was genau drin steckt? So leichtfertig geht Deutschland bisher mit hochradioaktiven Abfällen um. Der Inhalt und somit die spezifischen Gefahren der Glaskokillen, die demnächst aus La Hague nach Gorleben gebracht werden sollten, ist den deutschen Behörden und StrahlenschützerInnen nur ungefähr bekannt. Ob es bei der Herstellung der verglasten Mischung immer mit rechten Dingen zugeht - das bleibt ausschließlich der Herstellerfirma Cogema überlassen. Die deutschen Behörden begnügen sich mit gelegentlichem Zuschauen und mit einfachen Wischtests vor Ort. Was die Qualität und damit die spezifischen Risiken der Inhalte angeht, bleibt der Empfänger auf Treu und Glauben angewiesen.

Die belgische Regierung verhält sich anders, seit dort die Grünen mitregieren. Olivier Deleuze, Minister für Energie und nachhaltige Entwicklung, fordert seit März 2000 Qualitätskontrollen an den hochbrisanten Glaskokillen aus La Hague. Das Kabinett unterstützt ihn in diesem Verlangen. Diese Kontrollen sollen von unabhängigen ExpertInnen, die Belgien auswählt, auf dem Gelände der Cogema durchgeführt werden.

Gegenwärtig erarbeitet die belgische Nuklearbehörde ein Programm für solche Qualitätskontrollen. Dabei sind etwa sog. Scan-Tests vorgesehen, die die Glaskokillen von außen gleichsam "röntgen". Geplant sind auch destruktive Tests, die stichprobeneartig Glaskokillen auf ihre materielle Zusammensetzung prüfen. Dazu werden beim Gießen der Kokillen Teile des Materials abgezweigt und gesondert untersucht. Die Repräsentativität solcher Stichproben ist dabei ein wichtiges und noch zu lösendes Problem.

Der belgische Energieminister rechnet damit, daß das Kontrollprogramm bis Ende 2001 entwickelt ist. Dann wird der Rücktransport aus der Normandie nach Belgien nicht mehr vom Schleier völligen Unwissens bedeckt bleiben.

Die CASTOR-Transporte nach La Hague werden jedoch weiter in die Nacht getaucht bleiben, in der alle radioaktiven Kühe schwarz sind. Es sei denn, daß der deutsche Umweltminister und das Bundeskabinett sich doch entschließen, dem Beispiel der Nachbarregierung zu folgen. Da aber ein Prüfprogramm an den Glaskokillen höchst unangenehme Wahrheiten ans Licht bringen könnte, wird es bei der Nuklearindustrie erst einmal auf Ablehnung stoßen. Auch wird diese als Verursacherin des radioaktiven Schiets die Kosten des Programms tragen müssen. Und die dürften erheblich sein.

Für einen verantwortlich denkenden Umweltminister darf das kein Grund sein, weiter Zurückhaltung zu üben. Was für jede Sondermüllfracht verlangt wird, muß für das strahlende Teufelszeug aus der Wiederaufarbeitung absolute Pflicht sein. Die technische und wissenschaftliche Infrastruktur, die gebraucht wird, um Qualitätskontrollen am hochradioaktiven Material zu programmieren und zu machen, gibt es jedenfalls. Und eine Zusammenarbeit mit Belgien drängt sich hier geradezu auf.

In den kommenden Wochen wird es heftige Konflikte um den Rücktransport von Glaskokillen aus La Hague nach Gorleben geben. Zu Recht, denn diese Transporte dienen dazu, einen selbstverschuldeten Versorgungsengpaß der Nuklearindustrie wieder zu öffnen. Mit dieser Öffnung wird das Umweltverbrechen der Wiederaufarbeitung am Ärmelkanal am Leben und werden deutsche Atomkraftwerke weiter am Laufen gehalten.

Der Widerstand gewinnt aber ein zusätzliches Recht, weil sich die Bundesregierung bisher der Forderung nach Qualitätskontrollen entzieht. Es scheint daß die Friedenspflicht mit der Atomlobby auch hier gilt, zu der sich Schröder, Müller und Trittin mit dem "Atomkonsens" eingelassen haben. Wahrscheinlich werden die AKW-Betreiber, die das Programm zahlen müssen, darin eine "Diskriminierung" der Atomkraftnutzung sehen, von der die Bundesregierung laut Atomkonsens absehen will.

Ist das der Grund, weshalb Deutschland dem Beispiel Belgiens bisher nicht folgt? Kontrollregeln, die bei allen sonstigen Arten gefährlicher Abfälle Pflicht und geboten sind, gelten offenbar beim hochradioaktiven Schiet nur deshalb nicht, weil ihre Anwendung dort komplizierter und kostspieliger sind. Die DemonstrantInnen jedenfalls, die sich Ende März bei Dannenberg querstellen, werden das nicht hinnehmen.

Brüssel/Berlin, 25.01. 2001

Hartwig Berger

 

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