Euch zur Kenntnis ein Artikel und Erlebnisbericht von mir zum letzten Castor-Transport veröffentlich in den Grünen Zeiten, Mitgliederzeitschrift Bündnis 90/Die Grünen Niedersachsen.

Viele energiewendische Grüße

Christian Meyer


Der Castor nach dem 11.September :

"Mehr Politik, statt immer mehr Polizei" Dies war die Überschrift unseres fast einmütigen niedersächsischen LDK-Beschlusses von Nienburg (Mai 2001) zur Beschleunigung des Ausstiegs aus der Atomenergie, der Ablehnung der ungeeigneten Endlagerprojekte Schacht Konrad und Gorleben und zum niedersächsischen Umgang mit Zwischenlagern und Castor-Transporten. Im Sinne dieses Beschlusses haben viele Grüne an den Protesten gegen den letzten Castor-Transport nach Gorleben teilgenommen.

Nötige Neubewertung der Sicherheitsrisiken Diesmal stand alles im Schatten der Terror-Debatte nach dem 11.September. Die mögliche Gefährdung durch terroristische Anschläge hat zur Sicherheitsüberprüfung vieler AKW's und Atomanlagen geführt. Die Ergebnisse waren klar und eindeutig: Kein AKW, Zwischenlager oder Castor ist bei einem in Selbstmordabsicht ausgeführten Attentat mit einem vollbetanktem Jumbo-Jet sicher. Wir GRÜNE wissen das schon lange : Flugzeugabstürze sind keine zu vernachlässigende Restgröße. Die grüne Unterstützung von legitimen Protesten gegen die Fortsetzung der Atomenergie sind daher wieder im Aufwind und so forderte sogar die Bundesspitze der Partei und unsere LDK in Verden, einmütig die Absage der Transporte.

Besonnen und gewaltfrei

"Weniger DemonstrantInnen, dafür mehr Militanz" war hingegen die Einschätzung der Polizei vor dem Transport. Die Realität war eine andere: Noch nie habe ich so mutigen, aber gewaltfreien Protest erlebt wie bei diesem Castor im Wendland. Vier leicht verletzte PolizistInnen gibt die Polizei selbst an. Auf der anderen Seite sah die Militanz und Gewalttätigkeit wieder anders aus: Zahllose friedliche DemonstrantInnen wurden Opfer von Polizeigewalt, z.B. durch Polizeihunde wie ein grünes Kreisvorstandsmitglied aus Hameln. Auch der Einsatz von Polizeipferden, Knüppeln und unzählige Razzien, Platzverweise und Ingewahrsamnahmen waren Beispiele für die Unverhältnismäßigkeit des rabiaten Polizeieinsatzes. Selbst ausserhalb der Demonstrationsverbotszone wurden friedliche Versammlungen verboten und gewaltsam aufgelöst.


Kriminalisierung von Protest

Besonders die "Verbringung" von über 700 Personen, in die nur für 350 DemonstrantInnen ausgelegte Gefangenensammelstelle Neu Tramm ist ein weiteres Beispiel für die Kriminalisierung friedlichen Protestes. Unzureichende sanitäre Anlagen, mangelhafte Schlafplätze, Kontaktabbrüche und Schikanen wurden hingenommen und sollen jetzt auch noch von den willkürlich Verhafteten bezahlt werden, so SPD-Innenminister Bartling. Die Zahl von 780 Gefangenen zeigt, dass sich die Proteste nicht auf wenige hundert Menschen beschränkten, wie viele Medien leider verschwiegen. Im Gegensatz zum letzten Transport gelang es dreimal an die Tausend TeilnehmerInnen der Aktion "WiderSetzen" mit einer gewaltfreien Sitzblockade auf die Transportstrecke nach Gorleben zu kommen. Noch in der Nacht des Transport blockierten unzählige DemonstrantInnen über 12 Stunden die Straße. Auch auf der Schiene bei Hitzacker wurden nach Polizeiangaben dreimal so viele DemonstrantInnen wie beim letzten Mal und mehrere Trecker der WendländerInnen von den Gleisen geräumt. Der Protest war also keinesfalls verschwunden, sondern anders, ohne eine spektakuläre Einzelaktion, wie die über 280 quergestellten Traktoren bei der "Schneckenplage" in der ganzen Region zeigten.


Grüne wichtiger Teil des Protestes

Und viele Grüne Mitglieder waren wieder mit dabei. Ohne Inszenerierung, aber aktiv im Widerstand. Mit einem grünen Transparent nahmen sie an der Aktion "WiderSetzen" teil und brachten es direkt an die Transportstrecke. Andere Parteien habe ich bei den Protesten und Aktionen nicht gesehen, wohl aber immer wieder die grüne Landesvorsitzende, die fast komplette grüne Landtagsfraktion, Grüne Jugend und Mitglieder aus Harburg-Land, Osnabrück, Lüneburg, Hameln, Hannover-Land und Stadt, Holzminden, Göttingen, Hamburg, Berlin, Bayern und natürlich Lüchow-Dannenberg. Ihnen und vor allem den Kreisvorsitzenden Martina Lammers und Uwe Dietrich, die sich um die Unterbringung und Versorgung fürsorglich kümmerten, ist besonders zu danken. Wir in Niedersachsen wissen, dass der erfolgreiche, politische Druck auf die Probleme und Risiken der Atomenergie weiter wichtig ist. Darum werden wir uns nach den notwendigen Auseinandersetzungen um den Ausstieg verstärkt dafür einsetzen müssen, das Bündnis 90/Die Grünen ein wichtiges politisches Standbein und Bündnispartner der Anti-AKW-Bewegung darstellen. Erst recht nach dem 11.September gibt es dazu keine Alternative.

Christian Meyer
ist Mitglied im Landesvorstand und war 5 Tage und Nächte bei den Protesten im Wendland.