Grüner auf der Flucht.
Zum "Report"-Beitrag über Sellafield und La Hague, am 28.05.01

Der Bericht war ein Paradebeispiel für krasse Kommunikationsfehler unseres Umweltministers. Selbstverständlich mussten wir damit rechnen, dass "Report" die Weiterbedienung der britischen und französischen WAA von der deutschen Atomindustrie den Grünen um die Ohren haut. Schließlich haben gerade wir Grünen seit vielen Jahren die schweren Umweltverseuchungen aus den WAAs und die Krebserkrankungen in der umwohnenden Bevölkerung zum Thema gemacht. Wir haben auch immer erklärt, dass die Anlagen nach deutschem Atomrecht nicht genehmigungsfähig sind ? insofern ist die Verschiebung des Atommülls an die Irische See und in die Normandie ein Dauerskandal.

Neu ist aber, dass die Verantwortung dafür dem Grünen Umweltminister in die Schuhe geschoben werden kann. Das hat "Report" ausgiebig und in extrem unfairer Weise genutzt. Es wurde verschwiegen, dass die Genehmigung der Transporte nach La Hague und Sellafield bis 2005 begrenzt ist ? das ist nicht ausreichend, aber immerhin mehr als unter Vorgängerregierungen. Verschwiegen wurde auch, dass Trittin Anfang 1999 immerhin ernsthaft versucht hat, die Bedienung der WAAs durch deutsche AKWs sofort zu stoppen. Und dass er damit gescheitert ist.

Ich hätte von Trittin erwartet, dass er die Chance zu einem Interview nutzt und diese Sachlage einem Millionenpublikum erläutert. Er hat jedoch das Angebot von Report, laut Bericht 2x ausgeschlagen. Gefilmt wurde dann nur seine zutiefst peinliche Flucht vor einem Interview, aus dem Dienstauto in den Reichstag. So stehen jetzt Grüne als die Verantwortlichen für die Atommüllverschiebung nackt da (von einer Kurzeinblendung von Rebecca Harms abgesehen, die zum Glück gegen die Transporte sprach). War es denn so schwer zu sagen, dass Vorgängerregierungen diesen Deal eröffnet hätten, während er unter Grün wenigstens nach einer ? sicherlich zu langen ? Frist beendet wird? Bricht sich denn Trittin einen Stein aus der Krone, wenn er sagt, dass ein sofortiger Stopp natürlich ökologisch geboten, aber politisch nicht durchsetzbar war? Warum äußert ein Grüner Umweltminister nicht klar seine Besorgnis über die Umweltverseuchungen durch La Hague und Sellafield? Warum appelliert er nicht an die Atomindustrie, deshalb diese unsäglichen Transporte vorzeitig zu beenden? Sie ist ja nicht gezwungen, die ihr gesetzte Frist bis zum 1.6.2005 auszunutzen. Ich erwarte je gar nicht, dass Trittin als Verfechter und Gestalter des Atomkonsens sich plötzlich der konsenskritischen Position anschließt: daß ein sofortiger Stop der WAA-Bedienung aus deutschen AKWs umweltpolitisch geboten und atomrechtlich durchaus möglich ist.

Alles das erfährt der Zuschauer nicht. Stattdessen sieht er nach Einblendungen Trittins unmittelbar darauf ein Friedhofskreuz aufleuchten. Stattdessen diese zutiefst peinliche Flucht eines Grünen Mnisters vor der Öffentlichkeit. Ist Jürgen Trittin nicht klar, dass er Grüne Umweltpolitik insgesamt repräsentiert? Auch wenn langjährige Umweltpolitiker bei den Grünen über solche (Nicht?)Auftritte nur vor Scham in den Boden versinken können.

Dieses an meine Grünen Freunde, statt einer Presseerklärung, die sowieso sinnlos wäre. Und besser als zu klagen ist ohnehin, wenn sich möglichst viele Grüne, deren Herz links und atomkritisch schlägt, an den nächsten Blockaden gegen CASTORen nach La Hague und Sellafield beteiligen. Gelegenheit dazu gibt es ja genug, zB spätestens Mitte Juni gegen einen Transport von Stade nach La Hague.

Hartwig Berger,
29.05.2001

 

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