Gesellschaft für Strahlenschutz e.V.
Thomas Dersee
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Ein zweiter Sarkophag für Tschernobyl
- ein teurer Flop
Am 30. Januar beriet der Umweltausschuß des Deutschen Bundestages
über den "Zweiten Jahres-bericht über die Fortschritte
bei der Durchführung des Fonds für die Ummantelung des Tschernobyl-Reaktors"
und über eine darauf basierende Beschlußvorlage für
den Europarat.
Beide Papiere sind schon im Februar 2001 geschrieben worden - haben
also fast ein Jahr gebraucht, um im Bundestag beraten zu werden.
Als zentrale Begründung für die beabsichtige Zahlung von 768
Millionen US$ wird die "Bewältigung einer schwerwiegenden
Sicherheitsgefahr für das Land selbst wie auch für Europa
insgesamt" angegeben.
Diese Begründung entbehrt jeder Grundlage, stellt der Physiker
Dr. Sebastian Pflugbeil, Präsident der Gesellschaft für Strahlenschutz,
fest. Bei allen Mängeln, die der existierende Sarkophag aufweise,
würde selbst der Einsturz des Sarkophags weder die Ukraine noch
Europa insgesamt in irgendeiner Form gefährden.
Bis heute würden alle Angaben über den Unfallablauf, das
Ausmaß der Radioaktivitätsfreisetzungen und die Menge des
im Reaktor verbliebenen Kernbrennstoffs ausschließlich auf Angaben
aus russischen/ukrainischen Quellen zurückgehen. Bis heute habe
kein einziger Gutachter aus dem Westen eigene Messung innerhalb des
Sarkophags angestellt.
Am 2. Mai 1986, also 6 Tage nach der Explosion, wurde in Moskau am
grünen Tisch abgeschätzt, daß nur 3,5 Prozent des radioaktiven
Inventars des Reaktors in die Umgebung gelangt sei und etwa 95 Prozent
des Kernbrennstoffs sich noch im Reaktorschacht befände. Damals
gab es noch keine Messungen, keiner der hochkarätigen Fachleute
hat damals den zerstörten Reaktor gesehen.
Der Atomphysiker Konstantin P. Tschetscherov (Kurtschatov-Institut,
Moskau) hat sich in mehr als 100 Publikationen allein mit dem zerstörten
Reaktor auseinandergesetzt. Er ist 3mal persönlich in den Reaktorschacht
geklettert. Tschetscherov hat festgestellt und dokumentiert, daß
der Reaktorschacht praktisch leer ist, die bisherigen Annahmen über
den Verbleib des Kernbrennstoffs also falsch sind.
Er zieht nach den gefährlichen Exkursionen in den Sarkophag und
umfangreichen Berechnungen den Schluß, daß bis zu 95 Prozent
des Kernbrennstoffs freigesetzt wären und nur rund 5 Prozent sich
noch irgendwo im Sarkophag befänden.
Bei der Finanzierung des zweiten Sarkophags - auch deutsche Firmen wollen
von diesem Mammutprojekt profitieren - würde jedoch unverändert
behauptet, daß sich noch 95 Prozent des Brennstoffs im Sarkophag
befinden (ohne sagen zu können, wo). Auch das Umweltministerium
vertritt diese Auffassung.
Pflugbeil hält es für völlig unverständlich, daß
sich die Bundesregierung mit einem zweistelligen Millionenbetrag an
einem mehr als fragwürdigen technischen Tschernobylprojekt beteiligt,
die ärztliche Behandlung der Tschernobylopfer aber den völlig
überforderten Regierungen vor Ort oder privaten Hilfsorganisationen
überläßt.
Berlin, den 30.1.2002
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