Gesellschaft für Strahlenschutz e.V.
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Ein zweiter Sarkophag für Tschernobyl - ein teurer Flop

Am 30. Januar beriet der Umweltausschuß des Deutschen Bundestages über den "Zweiten Jahres-bericht über die Fortschritte bei der Durchführung des Fonds für die Ummantelung des Tschernobyl-Reaktors" und über eine darauf basierende Beschlußvorlage für den Europarat.
Beide Papiere sind schon im Februar 2001 geschrieben worden - haben also fast ein Jahr gebraucht, um im Bundestag beraten zu werden.
Als zentrale Begründung für die beabsichtige Zahlung von 768 Millionen US$ wird die "Bewältigung einer schwerwiegenden Sicherheitsgefahr für das Land selbst wie auch für Europa insgesamt" angegeben.
Diese Begründung entbehrt jeder Grundlage, stellt der Physiker Dr. Sebastian Pflugbeil, Präsident der Gesellschaft für Strahlenschutz, fest. Bei allen Mängeln, die der existierende Sarkophag aufweise, würde selbst der Einsturz des Sarkophags weder die Ukraine noch Europa insgesamt in irgendeiner Form gefährden.

Bis heute würden alle Angaben über den Unfallablauf, das Ausmaß der Radioaktivitätsfreisetzungen und die Menge des im Reaktor verbliebenen Kernbrennstoffs ausschließlich auf Angaben aus russischen/ukrainischen Quellen zurückgehen. Bis heute habe kein einziger Gutachter aus dem Westen eigene Messung innerhalb des Sarkophags angestellt.

Am 2. Mai 1986, also 6 Tage nach der Explosion, wurde in Moskau am grünen Tisch abgeschätzt, daß nur 3,5 Prozent des radioaktiven Inventars des Reaktors in die Umgebung gelangt sei und etwa 95 Prozent des Kernbrennstoffs sich noch im Reaktorschacht befände. Damals gab es noch keine Messungen, keiner der hochkarätigen Fachleute hat damals den zerstörten Reaktor gesehen.
Der Atomphysiker Konstantin P. Tschetscherov (Kurtschatov-Institut, Moskau) hat sich in mehr als 100 Publikationen allein mit dem zerstörten Reaktor auseinandergesetzt. Er ist 3mal persönlich in den Reaktorschacht geklettert. Tschetscherov hat festgestellt und dokumentiert, daß der Reaktorschacht praktisch leer ist, die bisherigen Annahmen über den Verbleib des Kernbrennstoffs also falsch sind.
Er zieht nach den gefährlichen Exkursionen in den Sarkophag und umfangreichen Berechnungen den Schluß, daß bis zu 95 Prozent des Kernbrennstoffs freigesetzt wären und nur rund 5 Prozent sich noch irgendwo im Sarkophag befänden.
Bei der Finanzierung des zweiten Sarkophags - auch deutsche Firmen wollen von diesem Mammutprojekt profitieren - würde jedoch unverändert behauptet, daß sich noch 95 Prozent des Brennstoffs im Sarkophag befinden (ohne sagen zu können, wo). Auch das Umweltministerium vertritt diese Auffassung.

Pflugbeil hält es für völlig unverständlich, daß sich die Bundesregierung mit einem zweistelligen Millionenbetrag an einem mehr als fragwürdigen technischen Tschernobylprojekt beteiligt, die ärztliche Behandlung der Tschernobylopfer aber den völlig überforderten Regierungen vor Ort oder privaten Hilfsorganisationen überläßt.

Berlin, den 30.1.2002